Kappa, Jesus Jeans, Superga und K-Way â die Marken, die Marco Boglione unter dem Dach von BasicNet vereint, haben etwas gemeinsam: eine pragmatische Namensfindung und eine besondere Entstehungsgeschichte. Marco Boglione erzĂ€hlt sie uns bei unserem Besuch im BasicNet-Headquarter in Turin
Herr Boglione, drauĂen an der TĂŒr steht âMaglificio Calzificio Torineseâ, was so viel bedeutet wie âFeinstrick und Stumpfwaren Turinâ. Hier drinnen befindet sich ĂŒber mehrere Etagen BasicNet. Das mĂŒssen Sie uns erklĂ€ren!
Das ist eine lange Geschichte, ich versuche es kurz zu machen: Sie sind an einem Ort, der sich frĂŒher Maglificio Calzificio Torinese nannte. Er wurde 1916 gegrĂŒndet. Davor stand hier ein Bauernhof. Die Bauern hörten irgendwann auf Bauern zu sein, wurden Industrielle und produzierten Socken und UnterwĂ€sche. Dann kam der Faschismus in Italien auf, der Zweite Weltkrieg folgte und dieses Unternehmen war Armeelieferant, der Adler war als faschistisches Symbol im Logo eingebunden.
Wie ist daraus Kappa entstanden?
Nach dem Krieg, in den 50ern, gab es einmal eine groĂe Fehlproduktion von Socken. Die Socken fielen auseinander, sobald man sie nur anzog. Daraus resultierte ein riesen Imageproblem. Im Jahr darauf musste man die Kunden irgendwie davon ĂŒberzeugen, dass die QualitĂ€t wieder gewĂ€hrleistet war, und so sagte man sich: âWir mĂŒssen einen Stempel auf die Produkte setzen, der sagt, dass sie geprĂŒft wurden.â Jemand meinte: âWenn wir es auf Italienisch schreiben, glaubt keiner daran. Es muss deutsch klingen!â Also stempelte man ein K darauf und darunter das Wort âKontrollâ. Der italienische Kunde dachte sich: âWow, das muss ein QualitĂ€tsprodukt sein.â Und dann wollten die Kunden nur noch die Socken mit dem K. Und weil K auf Italienisch Kappa heiĂt, wurde daraus Kappa. Der Adler war weg, die Produktpalette war aber noch dieselbe. Als ich ein Kind war, stand Kappa fĂŒr Socken und UnterwĂ€sche.
Und wie wurde daraus wiederum die Sportmarke, die wir heute kennen?
Das dauerte noch eine Weile. Erst einmal geschah noch etwas anderes. Ende der 60er- Jahre gab es einen groĂen Wandel, denn das Unternehmen steckte, wie viele andere in diesem Sektor, in Schwierigkeiten. Es wurde dann völlig neu erfunden von Maurizio Vitale, einem jungen Mann, der der Sohn des GrĂŒnders war. Aus dem Nichts heraus entschied er 1969, die weiĂen Unterhemden grĂŒn zu fĂ€rben, weil er in Paris John Lennon in einem MilitĂ€runterhemd gesehen hatte. Damals begannen die jungen Leute MilitĂ€rmode als Zeichen des Vietnamprotests zu tragen. Und ironischerweise bedeutete diese Entscheidung die Rettung fĂŒr das Unternehmen, das in der Vergangenheit ja Armee-Lieferant gewesen war! Der alte Unternehmenschef fragte seinen Sohn: âWie sollen wir die ,Robeâ, also ,Kleidungâ nennen, in Abgrenzung zu dem, was wir sonst bei Kappa machen?â Und der Sohn antwortete: âWir nennen sie Robe di Kappa.â Genauso pragmatisch, genauso gut. Das war damals der Einstieg in den riesigen Markt der Freizeitmode, Poloshirts und alledem. Alle jungen Leute wollten damals ihre neue Freiheit zeigen, indem sie sich weniger formell kleideten. Es war der Beginn der Casual Wear.
Aus derselben Zeit stammt auch Ihre Denim- Marke Jesus Jeans, richtig?
Genau. Alle wollten damals Jeans. Also musste es auch Jeans von Kappa geben. Zu der Zeit spazierte Maurizio Vitale mit dem Fotografen Oliviero Toscani in New York die StraĂen entlang und vor Ihnen lief ein Typ mit langen Haaren. Damals, 1971, startete gerade das Musical âJesus Christ Superstarâ auf dem Broadway. Sie rĂ€tselten darĂŒber, wie sie die neue Jeanslinie nennen könnten, und einer von beiden sagte: âWir nennen sie ,Jesusâ, und der andere fragte: ,Warum?â. ,Na, es ist ein guter Name und ziemlich viele kennen ihn schon.ââ Und so kam es zu Jesus Jeans und zu den groĂartigen Anzeigenmotiven, die Toscani fotografierte. Das beste Motiv ist das, auf dem man nur einen Po in Jeans-Hotpants sieht und darĂŒber steht Johannes, Vers 12:26 âWer mich liebt, der folgt mirâ. Das war ein Riesenerfolg. Vitale schaffte es in den kommenden Jahren, das Unternehmen völlig auf den Kopf zu stellen.
Was machten Sie damals?
Ich vergeudete meine Zeit an der UniversitĂ€t: Ich studierte Ingenieurwesen. Denn so ist das Leben! Man ist jung, denkt, man wird Fotograf, aber die Eltern sehen es anders und so findet man sich in der Uni wieder und soll Ingenieur werden. Damals lernte ich Maurizio Vitale kennen und der sagte: âKomm, arbeite mit mir.â Also verlieĂ ich mit 19 die Uni, ohne meinen Eltern etwas davon zu sagen, und fing an, fĂŒr das Unternehmen zu arbeiten. Der Chef betrachtete mich als kleinen Bruder und ich machte innerhalb von neun Jahren eine phĂ€nomenale Karriere. Dazu gehörte auch, dass ich ihn 1977 davon ĂŒberzeugte, in das Sportbusiness einzusteigen.
Kappa in Richtung Sport zu lenken, war Ihre Idee?
Ich wusste: Die junge Generation interessierte sich fĂŒr Sport und nicht mehr fĂŒr die Revolution. Die Leute genossen den Frieden und joggten im Central Park. Also erfand ich als Angestellter des Unternehmens 1978 âRobe di Kappa Sportâ. Wir waren die ersten, die in Italien FuĂball sponserten: Juventus Turin, AC Milan, Ajax Amsterdam und sogar das USamerikanische Leichtathletik-Team bei den Olympischen Spielen 1984. Wir glaubten fest an die Bedeutung des Sports fĂŒr unser GeschĂ€ft. Damals wurde die Marke auch international. FĂŒr Kappa war das eine besonders gute Zeit.
Das muss Ihre Eltern beruhigt haben.
Das tat es. Ich wurde in allen Zeitungen als der junge Superboss gefeiert. Es war eine gute Zeit, ich genoss mein Leben, genau wie auch mein Freund und Boss Maurizio, der aber leider sehr krank wurde. Mit nur 41 Jahren starb er an Aids. Ein paar Jahre zuvor, als er wusste, dass er sterben wĂŒrde, legte er mir nahe, das Unternehmen zu verlassen. Er sagte: âDu bist ein Unternehmer. Du musst dein eigenes Ding machen. Wenn ich weg bin, wird das hier ein Desaster. Die Firma geht pleite ohne mich.â Ich folge seinem Rat, verlieĂ die Firma und startete mit âFootball Sport Merchandiseâ mein eigenes Unternehmen. Innerhalb von zehn Jahren wurde es zum WeltmarktfĂŒhrer in diesem neuen Business. Das ganze Thema startete da gerade erst in Europa, es gab nur ein Unternehmen in den Niederlanden und zwei in Italien, die FuĂball-Merchandising machten. Wir waren klein, aber stark, machten 30 oder 40 Millionen Umsatz aus dem Nichts. Das war zwischen â84 und â94. Mototaxi, ein anderes Unternehmen, das ich zusammen mit meiner damaligen Frau gegrĂŒndet hatte, verkauften wir 1999 an die italienische Post.
Zu der Zeit hatten Sie mit Kappa nichts mehr zu tun?
Ich war ganz raus. Aber dann, 1994, ging Maglificio Calzificio Torinese tatsĂ€chlich pleite. Und dann folgte das, was man in Turin die âMission Impossible des Mr Boglioneâ nannte.
Sie retteten das Unternehmen?
Ich versuchte, mit meiner Firma Maglificio Calzificio Torinese zu kaufen. Nicht einfach so â ich hatte einen Plan! Und ich brauchte ein gutes Produkt fĂŒr meine Idee. Sie mĂŒssen wissen, ich bin ein alter Nerd. Und damals war ich ein junger Nerd. Nichts faszinierte mich so wie die Informationstechnologie. Und fĂŒr Nerds wie mich gab es zu Beginn der 90er eine unglaubliche Neuigkeit, die Internet hieĂ. Der Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, hĂ€tte reicher werden können als Bill Gates, es war eine so groĂe und weitreichende Erfindung. Aber er entschied sich, seine Erfindung der Menschheit frei zur VerfĂŒgung zu stellen.
Aber was hatte das mit Ihren PlÀnen zu tun?
Ich interessierte mich damals sehr fĂŒr diese Erfindung. All meine GeschĂ€fte hatten mit Informationstechnologie zu tun. Als es dann das Internet gab, hatte ich die Idee, ein Netzwerk fĂŒr Unternehmer auf der ganzen Welt zu entwickeln. Sie sollten mit meinen Produkten arbeiten und mir dafĂŒr eine Provision bezahlen. Ich brauchte nur noch die Marke. Und dafĂŒr wollte ich Kappa, Robe di Kappa und Jesus Jeans kaufen. Also ein Businessmodell, das eher Walt Disney oder McDonald Ă€hnelt, nicht Nike. Ich wollte ein Netzwerk etablieren. Kein soziales Netzwerk wie Facebook, sondern ein Businessnetwork ââa basic networkâ. Basic bedeutet simpel und genau das mag ich. Basic heiĂt auch eine Programmiersprache, die 1964 erfunden wurde: âBeginnerâs Allpurpose Symbolic Instruction Codeâ, was so viel bedeutet wie âsymbolische Allzweck- Programmiersprache fĂŒr AnfĂ€ngerâ. Perfekt. BasicNet: Ein Business-Netzwerk, das auf der Basis von Informationstechnologie funktioniert. Unternehmen können ein Kappa-T-Shirt produzieren oder verkaufen. Sie profitieren von meiner Marke, meinem Design, meiner Technik und meiner Werbung und zahlen dafĂŒr eine Provision.
BasicNet produziert also nicht selbst. Was machen Sie dann genau?
Wir geben Marken einen Wert. Wir haben die Markenrechte, wie definieren das Design, wir entwickeln Produkte, wir definieren die Technik und wir vermarkten das Produkt. Das ist BasicNet. Wir kĂŒmmern uns um die immaterielle Seite des GeschĂ€fts.
Wie hatten Sie damals genĂŒgend Kapital fĂŒr den Kauf?
Ich schaffte die Mission Impossible mit der UnterstĂŒtzung eines Chinesen und eines Japaners, denn in Italien stieĂ ich, insbesondere bei den Banken, nur auf UnverstĂ€ndnis. Die dachten, ich sei verrĂŒckt, eine so groĂe Firma zu kaufen und daraus unmittelbar ein globales Unternehmen machen zu wollen. Nur ein Italiener half mir sehr: Luciano Benetton. Er fand das Ganze sehr clever, investierte â und es funktionierte. Wir kauften das Unternehmen 1994 und arbeiteten intensiv an der Entwicklung. Innerhalb von zehn Jahren brachten wir es auf 300 Millionen Umsatz. Und dann gab es ein anderes Unternehmen, das pleiteging: Superga. SpĂ€ter kauften wir auch K-Way.
Warum war eine Marke wie Superga fĂŒr Sie interessant?
Weil es eine echte Marke ist, mit einer echten Geschichte und mit Romantik. Wir mussten nichts erfinden. Solche Marken sind fĂŒr uns interessant.
ErzÀhlen Sie uns doch mal die Geschichte von Superga!
Aber gerne, die ist nĂ€mlich wirklich gut. In den 20ern des letzten Jahrhunderts, da gab es ein Unternehmen in Turin, das nannte sich Walter Martiny Industria Gomme. Martiny war ein Ingenieur. Und eine der wichtigsten Erfindungen des 19. Jahrhunderts war die Vulkanisierung von Gummi. Zuerst verwendete man es, um die RĂ€der der Kutschen aus Gummi zu fertigen. Da Turin eine Autostadt ist, besaĂen all diese Leute, die Reifen herstellten, Fabriken in Turin, so auch der Schweizer Walter Martiny. Er startete diese Fabrik, aber sein Name war zu lang. Weil sie direkt unter der Superga-Kirche lag, nannten alle die Firma einfach Superga. Martini war aber auch ein Erfinder. Seine Frau war eine Tennisspielerin. Damals spielte man Tennis nur auf roter Erde und zwar in Espadrilles. Dummerweise fielen die nach spĂ€testens zehn Spielen auseinander. Martiny dachte sich: Wie wĂ€re es, wenn ich den Sohlenabdruck der Espadrilles kopiere und ihn aus Gummi herstelle? Dann halten die Schuhe viel lĂ€nger.
Deswegen haben sie diese knubbelige Sohle! Ein netter Ehemann, dieser Martiny.
Wussten Sie, dass ein Mann Ebay fĂŒr seine Freundin entwickelte? Sie war Briefmarkensammlerin... Jedenfalls entwarf Martiny diesen Schuh fĂŒr seine Frau und es wurde der erste richtige Tennisschuh. Den ersten Superga-Sneaker gab es 1926. Dieser Schuh ist Ă€lter als mein Vater und ist immer noch derselbe. Er ist 88 und er sieht aus, als könne er morgen designt werden, und nicht, dass er es gestern wurde.
Der Sneaker Italiens sozusagen?
In den 70ern und 80ern trugen die jungen Leute Turnschuhe statt Mokassins. In anderen LĂ€ndern nannte man sie Sneakers, in Italien gibt es das Wort Sneakers noch heute nicht, sie heiĂen âScarpe da ginnasticaâ â zu Deutsch âTurnschuheâ. Aber da die ersten von Superga waren, nannte meine Mutter alle Turnschuhe Superga. Nike, Adidas, völlig egal, fĂŒr sie war das der Oberbegriff. Und nicht nur fĂŒr meine Mutter, viele Leute sagten Superga zu Sneakers. Deswegen können wir heute auch zu Recht in unserem Claim sagen: âPeople's Shoes of Italyâ.
Welche Farbe hatte der erste Superga-Schuh?
Er war komplett weiĂ. Weil man Tennis in WeiĂ spielte. Aber der rote Boden fĂ€rbte das weiĂe Gummi am Rand leicht rötlich ein. SpĂ€ter, als Superga vom Tennisschuh zum People-Schuh wurde, wurden die ganz originalen mit einer ecrufarbenen Gummifassung produziert. Die sind heute noch ein Bestseller. Genauso wie das blaue Modell, irgendwann haben die Segler in Italien den fĂŒr sich entdeckt, also wurde auch der zum Klassiker. Jetzt haben wir natĂŒrlich unendlich viele Farben und Designs.
Wie kam K-Way zu Superga?
In den 50ern wurden all diese Reifenhersteller von Pirelli aufgekauft. Auch Superga â als Reifenfabrik. Sie fanden diesen Schuh und wussten erst nicht, was sie damit machen sollten. Aber Pirelli ist ein seriöses Unternehmen und entschied sich, die Schuhe weiter zu produzieren. Also hielten sie es am Leben. 1979 brannte die Fabrik von K-Way in Frankreich. Man kann sagen, was Superga in Italien fĂŒr Schuhe war, war K-Way in Frankreich fĂŒr RegenmĂ€ntel. âEn cas deâ, âim Falle vonâ, sagte der Firmeninhaber immer und daraus wurde K-Way. FĂŒr den Fall, dass es regnete, hatte man die MĂ€ntel dabei.
Noch eine K-Geschichte!
Ja! 1980 kaufte Pirelli K-Way, um es mit Superga zusammenzuschlieĂen und eine Art Kleidungslinie zu haben. Auch aus saisonalen GrĂŒnden, denn Superga war der Sommerschuh und die Regenjacke konnte man immer brauchen. 1992 wurden K-Way und Superga an ein Capital-Jointventure verkauft. NatĂŒrlich war kurze Zeit spĂ€ter alles vorbei, sie waren bankrott. Diese Finanzleute hatten keine Ahnung davon, was sie machen mĂŒssen, um so eine Marke am Leben zu halten. Sie dachten, es sei ein einfaches Business. Zu der Zeit hatte ich BasicNet schon auf die Beine gestellt und so kauften wir erst die eine Marke und spĂ€ter die zweite.
Warum ist Superga jetzt wieder so gefragt?
Wir haben eine gute Organisation. Wir arbeiten gut, sind flexibel, transparent, und wir haben ein Businessmodell, das ĂŒberall funktioniert. Es ist klassisch, es ist regional â eine italienische Marke. Das ist ein anerkanntes Kennzeichen fĂŒr KreativitĂ€t. Der Schuh hat eine echte Geschichte und fĂŒr diesen Preis eine super QualitĂ€t. Und er funktioniert fĂŒr MĂ€nner und Frauen. Wir haben ein verdammt gutes Produkt. Und es bleibt immer dasselbe. Wie ein Big Mac oder eine Swatch. Man weiĂ, was man kriegt.
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